14 der häufigsten Irrglauben europäischer Geschichte
Sind Sie diesen Mythen auch schon aufgesessen?
Ob Steinzeit, Renaissance oder die beiden Weltkriege – die Geschichte Europas ist nicht nur voller tiefgreifender Entwicklungen und einzigartiger Wendepunkte, sondern wird auch entscheidend von Menschen geprägt, die in der Vorstellung der Öffentlichkeit weiterleben. Das Bild, das wir uns über Ereignisse und historische Persönlichkeiten machen, ist aber nicht immer ganz korrekt – und oft schlicht falsch.
Entdecken Sie hier unsere Galerie, in der wir 15 Mythen über die europäische Geschichte aufdecken …
Adaptiert von Barbara Geier
Mittelalterliche Schlachten waren chaotische Schlägereien
Unser Bild von mittelalterlichen Schlachten ist von Film und Fernsehen geprägt und Szenen aus „Braveheart“ oder „Game of Thrones“: Laut brüllende Menschen prallen mit viel Getöse aufeinander und es entsteht ein Chaos aus Mann-gegen-Mann-Kämpfen. Zum Schluss sehen wir, wie sich die Sieger ihren Weg durch das Schlachtfeld bahnen – die Feinde sind quasi ausgelöscht.
Im Hochmittelalter waren solche Gefechte allerdings gar nicht üblich. Kriege wurden hauptsächlich über Belagerungen geführt. Wenn es doch zu „angesagten“ Schlachten auf offenem Feld kam, waren sie ganz anders als das, was wir normalerweise auf dem Bildschirm sehen.
Mittelalterliche Schlachten waren chaotische Schlägereien
Erster Irrtum: Die Soldaten stürmten nicht willenlos aufeinander zu, denn keiner hatte ein Interesse daran zu sterben – und sich mit voller Geschwindigkeit in eine feindliche und mit spitzen Waffen ausgestattete Heeresformation zu stürzen, ist das Letzte, was man dann machen würde.
Nächster Punkt: Da ungeordnete Mann-gegen-Mann-Kämpfe der schnellste Weg zu einer Niederlage waren, vollzogen sich die Vorstöße im Allgemeinen kontrolliert und in der Anfangsphase einer Schlacht kämpften nur die vordersten Linien. Und zu guter Letzt waren mittelalterliche Rüstungen viel zu schwer, um damit über schlammiges Gelände zu sprinten.
In manchen Filmen wird auch das Ausmaß der Schlachten und insbesondere die Zahl der Todesopfer sehr übertrieben dargestellt. Die meisten Schlachten endeten mit Rückzug, Patt oder Kapitulation und nicht mit der Vernichtung der Gegner. England und Frankreich hätten kaum den Hundertjährigen Krieg führen können, wenn ihre Armeen bereits in der Schlacht so dezimiert worden wären, wie es uns oft auf der Leinwand verkauft wird …
Im alten Rom trugen alle Togas
Der römische Dichter Virgil beschrieb die alten Römer als „gens togata“ („das togatragende Volk“) und aus künstlerischen Darstellungen kennen wir viele Menschen in Toga, ganz zu schweigen von den römischen Statuen. Das Kleidungsstück war jedoch kein Alltagsgewand, sondern wurde erstens nur von einer bestimmten Gruppe und zweitens nur zu spezifischen Anlässen getragen.
Die Toga durfte als Statussymbol nur von römischen Bürgern getragen werden und war für Ausländer, Sklaven und im Exil Lebende verboten. Sie war zudem ein unpraktisches Kleidungsstück, das gerne vermieden wurde. Den Trägern wurde es darin schnell heiß, sie war schwer, teuer, wurde schnell schmutzig und war schwer zu waschen. Kurzum: gut, um darin im Theater gesehen zu werden, aber unbrauchbar für fast alles andere.
Im alten Rom trugen alle Togas
Beamen wir uns kurz in eine Gasse des alten Roms im 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr. – und wir sehen, dass die Menschen größtenteils Unisex-Tuniken unterschiedlicher Länge und in verschiedenen Farben tragen, dazu Lendenschurze, Sandalen und Gürtel.
Eine Zeitreise zu einer elitären römischen Dinnerparty oder Senatssitzung dagegen zeigt die Oberschicht und Politiker in aufwendigen Togen unterschiedlicher Farbe und Schnitt. Wer zu Fasching oder für ein Kostümfest also ein Bettlaken überwirft, stellt in dieser Toga des 21. Jahrhunderts daher nicht das „gemeine Volk“ im alten Rom, sondern nur die Elite nach.
Wikingerhelme hatten Hörner
Das Wort Wikinger bedeutet im Altnordischen „Räuber“ und ab dem Ende des 8. Jahrhunderts terrorisierte das skandinavische Volk bis ins 11. Jahrhundert die Küsten Europas, brannte Dörfer nieder, erpresste gewaltsam Gold und hatte dabei einen gehörnten Helm auf – so will es zumindest der Mythos.
Dieses typische Wikinger-Symbol, das bei vielen Motto-Kindergeburtstagen zum Einsatz kommt, hat allerdings keinerlei historische Grundlage.
Wikingerhelme hatten Hörner
Helme mit Hörnern auszustatten, macht keinen Sinn: Der Kopfschutz wäre dann unnötig schwer für die Träger, Hörner könnten sich in Bäumen verfangen und wären zudem zu kompliziert für Schmiede des frühen Mittelalters gewesen.
Die Hörner wurden den Helmen erst im 19. Jahrhundert angedichtet, viele Jahrhunderte, nachdem das letzte Wikinger-Langboot an einer europäischen Küste gelandet war. Bisher haben Archäologen nur zwei intakte Wikingerhelme gefunden (Bild) – und keiner davon hat Hörner.
Die französische Armee ist vor allem im Kapitulieren gut
Für dieses wenig schmeichelhafte Klischee gibt es keinerlei Fakten, denn die französische Armee hat sich statistisch betrachtet nicht öfter ergeben als andere. Im kollektiven Gedächtnis scheint allerdings die Kapitulation der Franzosen im Zweiten Weltkrieg zu dominieren, nachdem die Nazis 1940 die Maginot-Linie durchbrochen und innerhalb von sechs Wochen Paris eingenommen hatten.
55 Jahre später befeuerte eine „Simpsons“-Folge den Mythos, in der eine der Figuren die Franzosen als „käseessende Kapitulationsaffen“ bezeichnet. Der Ausdruck „cheese-eating surrender monkeys“ wurde vor allem in den USA sehr populär: Ein bekannter Journalist nutzte ihn, als Frankreich die USA nicht im Irakkrieg unterstützte.
Die französische Armee ist vor allem im Kapitulieren gut
Die Faktenlage zum Thema französische Armee und Kapitulation sieht folgendermaßen aus: Laut dem britischen Historiker Niall Ferguson ist Frankreich mit 109 Siegen, zehn Patt-Situationen und 49 Niederlagen die statistisch erfolgreichste Militärmacht in Europa mit einer Siegesquote von 65 Prozent.
Was historische Schlachten anbelangt, rühmen sich beispielsweise die Engländer gerne ihrer Siege bei Agincourt, Crécy und Poitiers. Alle drei Schlachten waren allerdings Teil eines Krieges, den Frankreich schließlich gewann. Napoleon gehört neben Alexander dem Großen und Julius Cäsar zu den großen militärischen Anführern der Geschichte. Selbst die Sprache des Krieges ist sehr französisch geprägt. Man denke an Wörter wie Leutnant („lieutenant“), Bajonett („baïonnette“), Regiment („régiment“), General („général) oder Camouflage.
Die Spanische Grippe kam aus Spanien
Die Spanische Grippe fiel zeitlich mit dem Ende des Ersten Weltkriegs zusammen, der nach vier zermürbenden Jahren etwa 16 Millionen Menschenleben gefordert hatte. An dem Virus starben in weniger als der Hälfte der Zeit geschätzt mehr als dreimal so viele Menschen. Die Zahlen schwanken hier.
Die Spanische Grippe ist damit die schlimmste Influenza-Pandemie der Geschichte. In der Corona-Zeit wurde sie in der Öffentlichkeit wieder sehr präsent, als alte Fotos von überfüllten Krankenhäusern, Gesichtsmasken aus Mull und Schildern mit der Aufforderung zum Händewaschen die Runde machten.
Die Spanische Grippe kam aus Spanien
Wie kam es zu dem Mythos, dass die Spanische Grippe aus Spanien kommt? Schuld sind in diesem Fall die Medien. Genauer gesagt: die Zensur oder Nicht-Zensur der Presse.
Da Spanien im Ersten Weltkrieg neutral blieb, konnten die Journalisten vergleichsweise frei berichten. Spanische Zeitungen waren daher die ersten, die eine Krankheit vermeldeten, an der Menschen in Massen litten – was der Grippe ihren Namen und ein „Ursprungsland“ gab. In anderen Ländern wollten die Machthaber die Moral der Bevölkerung und Soldaten nicht mit schlechten Nachrichten schwächen. Nachrichten zur Spanischen Grippe wurden zensiert und die Bevölkerung wusste nichts davon.
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Piraten haben ihre Schätze vergraben
Tatsächlich gibt es nur eine Handvoll Beispiele dafür, dass Piraten ihre Beute verbuddelten. In keinem dieser Fälle war die Stelle mit einem „X“ gekennzeichnet. Der englische Freibeuter Francis Drake vergrub 1573 tonnenweise Beute an der Küste Panamas, ließ aber bewaffnete Wachen vor Ort und kehrte schnell wieder zurück – eine Karte war nicht erforderlich.
Die Geschichte von Kapitän Kidd (Bild) ist etwas verwegener, denn er vergrub 1699 einen riesigen Schatz auf einer Insel in der Nähe von New York. Dieser wurde jedoch schnell von den Briten gefunden und als Beweismittel im Prozess gegen Kidd verwendet, der daraufhin gehängt wurde. Im Allgemeinen waren Piraten keine verantwortungsbewussten Sparer und der Gedanke, die Beute als Notgroschen zur Seite zu legen, kam dem durchschnittlichen Seeräuber wohl nicht in den Sinn.
Piraten haben ihre Schätze vergraben
Vergrabene Schätze gibt es in der Geschichte durchaus, aber da sie sich natürlich auf dem Festland befinden müssen, stammten sie in den allermeisten Fällen nicht von Piraten. Das Bild eines Piraten, wie wir es heute im Kopf haben, wurde maßgeblich durch Robert Louis Stevensons Roman „Die Schatzinsel“ von 1883 geprägt. Schatzkarten, Augenklappen, Holzbeine und Piratenslang sind in erster Linie reine Fantasie.
Falls Sie trotzdem über einen verschollenen Piratenschatz stolpern sollten, könnte der Inhalt enttäuschend sein: Piraten plünderten nämlich alles, was sie verkaufen konnten – nicht nur goldene Dublonen, sondern auch verderbliche Waren wie Gewürze, Zucker, Rum, Mehl und Tabak.
Die Gebrüder Grimm schrieben viele berühmte Märchen
Die Märchen der Gebrüder Grimm kennt hierzulande so gut wie jedes Kind. Und spätestens, seitdem Disney einige der Geschichten verfilmt hat, sind die Werke der beiden Brüder auf der ganzen Welt bekannt. Schneewittchen, Dornröschen, Aschenputtel, der Froschkönig, Rapunzel, Rotkäppchen, Hänsel und Gretel – all diese Märchen stammen aus ihrer Feder. Jacob und Wilhelm Grimm sind die wohl bekanntesten Märchenautoren überhaupt – vielleicht abgesehen von Hans Christian Andersen, dem Autor der kleinen Meerjungfrau.
Ihre Geschichten haben nicht nur Generationen von Kindern geprägt, sondern auch Hollywood inspiriert: 2005 spielten Matt Damon und Heath Ledger die Rollen der beiden Brüder im Fantasyfilm „Brothers Grimm“ von Terry Gilliam.
Die Gebrüder Grimm schrieben viele berühmte Märchen
Eigentlich waren die Brüder Grimm aber weniger Schriftsteller als vielmehr Volkskundler. Sie erfanden die Geschichten, die sie bekannt machten, gar nicht selbst, sondern sammelten sie. Ihr Ziel war es, alte deutsche Volkserzählungen festzuhalten, die damals oft schon Jahrhunderte alt waren. 1812 veröffentlichten Jacob und Wilhelm ihre erste Sammlung, die „Kinder- und Hausmärchen“. Sie wurden schnell zu einem kulturellen Meilenstein für das deutsche Volk.
Die Märchen der Brüder Grimm vermittelten Werte wie Mut, Ehrlichkeit und – nicht zu vergessen – Gehorsam gegenüber den Eltern. Die Originalfassungen waren dabei weitaus düsterer als die modernen Versionen.
Die Namensgeberin der Walpurgisnacht war eine Hexe
In der Nacht zum 1. Mai reiten Hexen auf ihren Besen zum Blocksberg – sprich: den Brocken im Harz – und tanzen mit dem Teufel ums Feuer. Das haben wir alle so gelernt und der Name für die Walpurgisnacht, die in ganz Deutschland gefeiert wird, leitet sich also von den Hexen ab, oder?
Stimmt nicht, denn die eigentliche Namensgeberin war eine Äbtissin und Heilige, die – ironischerweise – neben Seuchen, Hungersnot und Missernten auch als Schutzpatronin gegen böse Geister gilt, wozu auch die Hexen im Glauben vergangener Zeiten gehören würden.
Die Namensgeberin der Walpurgisnacht war eine Hexe
Die Heilige Walburga – oder Walpurga – war eine Äbtissin und die angebliche Tochter des Königs von Wessex. Im 8. Jahrhundert kam sie von England nach Deutschland und leitete das Kloster Heidenheim. Ihr werden verschiedene Wunder zugeschrieben, wie die hier dargestellte Rettung eines Bootes vor dem Untergehen. 100 Jahre nach ihrem Tod wurde sie am 1. Mai heiliggesprochen – und deshalb heißt der Vorabend zu ihren Ehren Walpurgisnacht.
Die Walpurgisnacht ist damit eine Geschichte von Zufällen und Willkür: Der Name wird von einem zufällig übereinstimmenden Feiertag für eine reale Person abgeleitet und die Nacht zum 1. Mai als Datum für Hexenversammlungen ist rein fiktiv. Der Zeitpunkt wurde 1669 zum ersten Mal in dem Buch „Blockes-Berges-Verrichtung“ verbreitet, in dem ein Autor Hexengeschichten gesammelt hatte und sowohl auf den Brocken im Harz als Hexentanzplatz als auch die Nacht auf den 1. Mai verwies. Richtig Fahrt nahm die Legende dann im 19. Jahrhundert mit Goethes „Faust“ auf, in dem die Walpurgisnacht als große Hexenversammlung eine Rolle spielt.
Das mittelalterliche Europa war ein christlicher Kontinent
Ob Kreuzritter, die sich in ihren mit dem christlichen Symbol verzierten Uniformen auf den Weg ins Heilige Land machten, oder Mönche in großen Klosteranlagen – das Christentum bestimmt das Bild des mittelalterlichen Europas. Und es stimmt, dass es die vorherrschende Religion vieler Großmächte dieser Epoche war, die es später in die ganze Welt exportieren sollten. Das Christentum war aber bei weitem nicht die einzige Religion, die den europäischen Kontinent prägte.
Weite Teile Spaniens und Portugals waren als „al-Andalus“ jahrhundertelang in muslimischer Hand, während das Heidentum in Nordosteuropa bis weit ins 14. Jahrhundert verbreitet war. Die lange Geschichte des muslimischen Osmanischen Reiches in Europa wird dabei am meisten übersehen.
Das mittelalterliche Europa war ein christlicher Kontinent
Laut dem britischen Historiker Marc David Baer waren die Osmanen definitiv europäische Herrscher, die der Westen trotzdem aus seiner Geschichte gleichermaßen herausschreibt. 500 Jahre lang hatten sie in Südosteuropa das Sagen, dehnten ihr Herrschaftsgebiet bis nach Ungarn aus und belagerten zweimal Wien.
Erst im späten 19. Jahrhundert ging der Einfluss der Osmanen zurück und Länder wie Griechenland, Bulgarien, Serbien und Rumänien konnten sich von ihrer Herrschaft befreien. Osmanische Moscheen sind in Osteuropa bis heute weit verbreitet, beispielsweise in Ländern wie Albanien, wo der Islam nach wie vor die vorherrschende Religion ist.
Griechische und römische Statuen waren weiß
Jeder kennt sie: weiße Marmorstatuen, die seit der Renaissance an antike Zeiten erinnern. Noch heute zieren sie viele öffentliche Gebäude wie den Buckingham Palace in London, das Prado-Museum in Madrid oder das US-Kapitol. Der weiße Marmor hat viel damit zu tun, dass sie so elegant und zeitlos wirken. Doch wie viel ist dran an dem weißen Mythos?
Griechische und römische Statuen waren weiß
Nicht viel, denn im Gegensatz zu heute sparte man in der Antike nicht mit Farbe. Selbst die strengen Büsten der römischen Kaiser oder das kunstvolle Parthenonfries waren leuchtend bunt gehalten.
Da die Farben im Laufe der Jahrtausende verblassten, sind die Nachahmungen der letzten Jahrhunderte farblos. In diesem Bild sieht man die berühmte Statue des Augustus von Prima Porta, die den ersten Kaiser Roms darstellt. In der Nachbildung daneben wird gezeigt, wie farbenfroh das Original wahrscheinlich gewesen ist.
Die Menschen im Mittelalter dachten, die Welt sei eine Scheibe
Zugegeben, im Mittelalter gab es einige wahrlich haarsträubende Vorstellungen: Böse Geister leben in Rosenkohl, Katzen sind Transportwesen des Teufels und die Pest kann geheilt werden, wenn man den Körper mit einem lebendigen Huhn einreibt.
Aber die Idee, dass die Welt eine flache Scheibe sei, war schon vor Beginn des finsteren Mittelalters ein alter Hut und kaum mehr verbreitet. Der in der Antike lebende griechische Mathematiker Pythagoras behauptete um 500 v. Chr. als Erster, dass die Welt rund ist. Sein Landsmann Aristoteles bestätigte seine Erkenntnis 150 Jahre später. Ein weiteres Jahrhundert darauf vermaß der griechische Astronom Eratosthenes sogar bereits den Umfang der Erde – und lag mit seinen Berechnungen bis auf wenige Kilometer genau richtig.
Die Menschen im Mittelalter dachten, die Welt sei eine Scheibe
Heute wissen wir zwar nicht, was der gemeine Bauer damals über die Form der Erde dachte, aber nach den Worten des Historikers Jeffrey Burton Russell glaubte „kein gebildeter Mensch in der Geschichte der westlichen Zivilisation ab dem 3. Jahrhundert v. Chr., dass die Erde flach sei“.
Das Bild zeigt eine Nachbildung des ältesten erhaltenen Globus, der 1492 von Martin Behaim konstruiert wurde. Im selben Jahr machte sich Kolumbus auf, eine neue Handelsroute nach Ostasien zu erschließen – nicht etwa, um zu beweisen, dass die Erde rund ist, wie es die Legende besagt. Stattdessen segelte er nach Amerika.
Rasputin hatte eine Affäre mit der russischen Kaiserin und war immun gegen Gewehrkugeln und Gift
Die Disco-Formation Boney M. machten den russischen Wanderprediger und Geistheiler Rasputin unsterblich, als ihr gleichnamiger Song 1978 die Spitzenposition in den deutschen und österreichischen Singlecharts erreichte und auch international zum Ohrwurm wurde. Grigori Rasputin war der Berater und Vertraute der letzten russischen Kaiserin, der Zarin Alexandra, und wurde in den letzten Jahren des Kaiserreiches vor der Russischen Revolution zu einem einflussreichen Mann am Hof – das kam in der Öffentlichkeit und bei der Aristokratie, die in Rasputin einen „ungebildete Bauer“ sah, nicht gut an.
So machten Gerüchte über Ausschweifungen mit weiblichen Anhängern die Runde, sogar eine Affäre mit der Zarin wurde ihm angedichtet. 1916 wurde er schließlich von einer Gruppe Adliger getötet, was zu einer weiteren sagenhaften Geschichte führte. Einer der Täter behauptete danach, dass der Geistheiler einfach nicht sterben wollte – weder Gift noch Schüsse hätten ihm etwas anhaben können, sodass er schließlich im eiskalten Wasser der Newa ertränkt werden musste.
Rasputin hatte eine Affäre mit der russischen Kaiserin und war immun gegen Gewehrkugeln und Gift
Der Boney-M.-Song griff die Legenden um Rasputin auf – mit Textzeilen wie „lover of the Russian queen (...) Russia’s greatest love machine“ und „they put some poison into his wine (...) he drank it all and said 'I feel fine'“, die auf seine angebliche Affäre mit der Zarin und Immunität gegen Gift anspielen. Das Affären-Gerücht wurde von Historikern entkräftet und die Autopsie ergab, dass er aus nächster Nähe erschossen wurde.
Es stimmt allerdings, dass die Zarin große Stücke auf ihn hielt, und glaubte, er könne ihren Sohn heilen, der an der Bluterkrankheit litt.
Das Mittelalter war finster und primitiv
Es gibt nur wenig, was Mittelalter-Historiker mehr auf die Palme bringt, als vom „finsteren Mittelalter“ zu sprechen. Der Begriff wurde erstmals von italienischen Gelehrten in der Renaissance verwendet, als man sich auf die Ideale der Antike zurückbesann. Vor allem der italienische Dichter Petrarca (Bild) prägte im 14. Jahrhundert diese Beschreibung
Die These der damaligen Gelehrten war, dass nach dem Zusammenbruch Roms im 5. Jahrhundert n. Chr. Wissenschaft und Kultur zum Erliegen kamen und ein finsteres Zeitalter anbrach. Sie stellten sich das fast wörtlich vor – im Sinne eines erloschenen Leuchtfeuers der Zivilisation und einer Periode, in der die unerleuchteten Menschen in Europa nach Orientierung suchten.
Das Mittelalter war finster und primitiv
Moderne Historiker sind wenig überraschend nicht damit einverstanden, dass 500 bis 800 Jahre Geschichte einfach so abgeschrieben werden. In Wirklichkeit erlebte das frühe Mittelalter beispielsweise eine blühende Landwirtschaft, den Aufstieg einer organisierten Kirche und die Gründung der Staaten, die Europa bis heute prägen. Auf der anderen Seite des Mittelmeers kam es unter dem Kalifat der Abbasiden zu einem goldenen Zeitalter des Islams, das von Fortschritten in der Medizin, Astronomie und Mathematik geprägt war.
Nebenbei, einige der fränkischen Könige dieser Zeit hatten auch sehr amüsante Spitznamen wie Ludwig der Nichtstuer, Karl der Einfältige oder Pippin der Kleine.
Julius Cäsar kam per Kaiserschnitt auf die Welt
Julius Cäsar soll bei seiner Geburt aus dem Mutterleib herausgeschnitten worden sein, was diesem Verfahren – angeblich – seinen Namen gab, da aus dem Wort „caesar“ später das deutsche Wort „Kaiser“ abgleitet wurde. Da Julius Cäsar nie Kaiser war (ein weiterer Mythos!), sondern „Diktator auf Lebenszeit“, ist allein das schon mal schräg. Der eigentliche Ursprung des Begriffs bleibt bis heute ungeklärt, sicher wissen wir aber, dass Julius Cäsar kein Kaiserschnitt war.
Die Praxis gab es zwar schon in der Antike, aber erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde sie erfolgreich an lebenden Frauen durchgeführt. Nach römischem Recht durften Schnittgeburten, wie Kaiserschnitte auch genannt werden, nur an verstorbenen Frauen vorgenommen werden, um das Kind zu retten. Cäsar wurde 100 v. Chr. geboren und seine Mutter Aurelia erfreute sich noch bester Gesundheit, als er 45 Jahre später in Britannien einmarschierte.
Julius Cäsar kam per Kaiserschnitt auf die Welt
Der Mythos von Cäsars angeblicher Kaiserschnitt-Geburt ist eher ein Beispiel für die uralte Tradition, Helden, Herrschern und Königen eine dramatische oder ungewöhnliche Geburtsgeschichte zuzuschreiben.
So soll der Schoß von Olympias von Epirus von einem Blitz getroffen worden sein, bevor sie Alexander den Großen (Bild) zur Welt brachte. Dschingis Khans Mutter wurde angeblich von einem Lichtstrahl geschwängert. Über den griechischen Mathematiker Pythagoras gibt es die Legende, dass er der Sohn des Gottes Apollo war – und der chinesische Philosoph Lao Zi, der als Gründer des Daosimus gilt, soll mit einem langen, grauen Bart auf die Welt gekommen sein soll.
Mussolini hat für pünktliche Züge gesorgt
Schon 1925 behaupteten Mussolini-Sympathisanten, dass er „zumindest für pünktliche Züge sorgt“. Dieses Klischee lebt bis heute fort, obwohl es sich um faschistische Propaganda handelt.
Der Diktator Benito Mussolini kontrollierte Italien ab 1922 für mehr als 20 Jahre mit eiserner Faust und verbündete sich im Zweiten Weltkrieg mit Hitlerdeutschland. Nachdem der Krieg so gut wie verloren war, ereilte ihn ein für faschistische Diktatoren des 20. Jahrhunderts typisches Schicksal, denn er wurde von Partisanen erschossen.
Für sein Image war es von zentraler Bedeutung, dass Autorität als Voraussetzung für Effizienz wahrgenommen wird. Das galt für das Militär, die Wirtschaft – und auch die Eisenbahn.
Mussolini hat für pünktliche Züge gesorgt
In Wirklichkeit eignete sich Mussolini die Arbeit eines anderen an, denn er erbte eines der besten Eisenbahnnetze Europas, das nach dem Ersten Weltkrieg von Cavaliere Carlo Crova, dem Generaldirektor der Italienischen Staatsbahn, weitgehend wieder aufgebaut worden war. Mit der Pünktlichkeit italienischer Züge hatte Mussolini also nichts zu tun.
Keine Legende ist es, dass unter seiner Diktatur bürgerliche Freiheiten zerstört, Kriegsverbrechen begangen und politische Gegner gefoltert wurden.
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