Das Problem mit der Geschichte ist, dass sie in der Vergangenheit liegt und daher kaum jemand mit absoluter Sicherheit sagen kann, wie die Dinge damals wirklich waren. Fast jede historische Periode hat ihre blinden Flecken und wirft Fragen auf, die wir vielleicht nie vollständig werden beantworten können. Manchmal gelingt es Historikern aber, die Ereignisse aus der Vergangenheit detailliert zu rekonstruieren – nur, um dann festzustellen, dass die Öffentlichkeit sich längst ihr eigenes, ganz anderes Bild gemacht hat.
Von den Märchen der Gebrüder Grimm bis hin zu Kleopatra: Erfahren Sie hier, welche 20 Mythen der Geschichte sich bis heute hartnäckig halten – obwohl sie nicht stimmen.
Adaptiert von Christiane Mentz, Ina Hieronimus und Rebecca Andel
Die Märchen der Gebrüder Grimm kennt hierzulande so gut wie jedes Kind. Und spätestens, seitdem Disney einige der Geschichten verfilmt hat, sind die Werke der beiden Brüder auf der ganzen Welt bekannt. Schneewittchen, Dornröschen, Aschenputtel, der Froschkönig, Rapunzel, Rotkäppchen, Hänsel und Gretel – all diese Märchen stammen aus ihrer Feder. Jacob und Wilhelm Grimm sind die wohl bekanntesten Märchenautoren überhaupt – vielleicht abgesehen von Hans Christian Andersen, dem Autor der kleinen Meerjungfrau.
Ihre Geschichten haben nicht nur Generationen von Kindern geprägt, sondern auch Hollywood inspiriert: 2005 spielten Matt Damon und Heath Ledger die Rollen der beiden Brüder im Fantasyfilm „Brothers Grimm“ von Terry Gilliam.
Eigentlich waren die Brüder Grimm aber weniger Schriftsteller als vielmehr Volkskundler. Sie erfanden die Geschichten, die sie bekannt machten, gar nicht selbst, sondern sammelten sie. Ihr Ziel war es, alte deutsche Volkserzählungen festzuhalten, die damals oft schon Jahrhunderte alt waren. 1812 veröffentlichten Jacob und Wilhelm ihre erste Sammlung, die „Kinder- und Hausmärchen“. Sie wurden schnell zu einem kulturellen Meilenstein für das deutsche Volk.
Die Märchen der Brüder Grimm vermittelten Werte wie Mut, Ehrlichkeit und – nicht zu vergessen – Gehorsam gegenüber den Eltern. Die Originalfassungen waren dabei weitaus düsterer als die modernen Versionen.
Wenn wir schon gerade dabei sind, mit den Mythen, um seine Person aufzuräumen: Napoleon hat der Sphinx in Ägypten weder die Nase abgeschossen noch eine Nacht allein in der großen Pyramide verbracht.
Jeder kennt sie: die weißen Marmorstatuen der Antike. Sie zieren auch heute noch neoklassizistische Gebäude wie den Buckingham Palace in London, das Prado-Museum in Madrid oder das US-Kapitol. Weiß strahlen sie dort in der Sonne und erinnern an ihre griechischen und römischen Vorfahren.
Der portugiesische Seefahrer Ferdinand Magellan ist vor allem für eine Sache berühmt: Als erster Mensch die Welt umsegelt zu haben. Aufgrund dieser beeindruckenden Leistung wurde vieles ihm zu Ehren benannt: eine NASA-Raumsonde, zwei Zwerggalaxien, zahlreiche Kreuzfahrtschiffe und Frachter, die Magellanstraße am südlichsten Zipfel Südamerikas und sogar eine Pinguinart – der Magellanpinguin.
Sein guter Ruf ist nicht ganz unverdient. Im September 1519 stach Magellan mit einer Flotte von fünf Schiffen unter spanischer Flagge in See. Nach zwei Jahren und 351 Tagen schaffte es eines dieser Schiffe, die „Victoria“, tatsächlich zurück in den Hafen von Sevilla – die erste Weltumsegelung war vollbracht.
Das einzige Problem an der Geschichte: Magellan war nicht an Bord. Während der Expedition hatten die Seefahrer so ziemlich alles durchlitten, was eine Seereise damals zum Albtraum machte: Hunger, Meuterei, Desertation, Angriffe durch Einheimische, Skorbut. Zahlreiche Seeleute starben – von den ursprünglich 270 Mann kehrten gerade einmal 18 zurück. Auch Magellan kam in einer Schlacht auf den Philippinen im Jahr 1521 ums Leben. Nach Magellans Tod übernahm Juan Sebastián Elcano das Ruder und wurde Kapitän der „Victoria“ – eigentlich war also er der erste Mensch, der die Erde umrundete.
Magellan hingegen starb in dem Glauben, sein Ziel nicht erreicht zu haben. Könnte er heute sehen, wie sehr sein Name mit Ruhm und Erfolg verbunden ist, wäre er wahrscheinlich ziemlich erfreut (und verwirrt).
Dass Wikingerhelme Hörner hatten, weiß jedes Kind. So zeigen es schließlich auch viele Spielfilme und Serien über das berühmte Seefahrervolk. Der Helm hat Wiedererkennungswert und lässt die Wikinger mysteriös und besonders wild erscheinen.
Nur den Tatsachen entspricht diese Darstellung nicht. Die Hörner wurden den Helmen erst im 19. Jahrhundert angedichtet. Es ist schwer nachzuvollziehen, woher dieser Mythos stammt, denn die Hörner wären im Kampf nur hinderlich. Außerdem kann man davon ausgehen, dass die Schmiede vom 8. bis 10. Jahrhundert weniger Wert auf dieses unnötige Detail gelegt werden haben.
Bisher hat man lediglich zwei intakte Wikingerhelme gefunden – beide ohne Hörner.
Mal abgesehen von der Kopfbedeckung sind andere Klischees über die Wikinger zutreffend. Sie reisten in hölzernen Langbooten mit einem Segel und mehreren Ruderern. Auch verwendeten die Wikinger im Kampf runde Holzschilde und Streitäxte (Schwerter waren der Oberschicht vorbehalten).
Tatsächlich waren die Wikinger in ganz Europa gefürchtet: Von Kleinasien bis Irland erzählte man sich, mit welcher Grausamkeit sie Siedlungen plünderten. Allerdings tranken sie nicht aus den Schädeln der getöteten Feinde und zogen auch nicht wie rasende Berserker ohne Kleidung in die Schlacht.
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Die arme Marie Antoinette. Als ob ihre öffentliche Enthauptung nicht schon schlimm genug gewesen wäre, ist sie nun auch noch als Inbegriff für Gier, Gefühllosigkeit und Exzess in die Geschichte eingegangen.
Schuld daran ist vor allem ein Satz, der bestenfalls eine fehlerhafte Übersetzung ist. Er lautet: „Qu'ils mangent de la brioche.“ Und obwohl Brioche-Brot im Frankreich des 18. Jahrhunderts als Luxus galt, ist hier wohl kaum von Kuchen die Rede.
Aber noch viel wichtiger ist, dass Marie Antoinette diesen weltberühmten Satz nie gesagt hat. Er stammt aus dem Werk „Die Bekenntnisse“ des Philosophen Jean-Jacques Rousseau, das 24 Jahre vor der Französischen Revolution geschrieben wurde, also als Antoinette gerade einmal 11 Jahre alt war.
Antoinette war zu Lebzeiten verhasst und eignete sich als perfekter Sündenbock für die frustrierte französische Gesellschaft von damals: ausländisch, weiblich und in einer Machtposition. Letzteres stimmt noch nicht einmal, da sie in ihrer unglücklichen Ehe nur wenig zu sagen hatte und kaum politischen Einfluss nehmen konnte. Anzügliche Pamphlete verleumdeten sie mit grausamen Anspielungen und stellten sie als intrigante, manipulative Person hinter den Kulissen dar.
Eines ist jedoch wahr: Sie liebte das Extravagante. Einst ließ sie auf dem Gelände von Versailles einen ganzen Bauernhof errichten, damit sie und ihre Dienerinnen sich als Milchmädchen verkleiden konnten.
Das Bild zeigt Kirsten Dunst in dem Film „Marie Antoinette“ von 2006.
Zugegeben, im Mittelalter gab es einige wahrlich haarsträubende Vorstellungen: Böse Geister leben in Rosenkohl, Katzen sind Transportwesen des Teufels und die Pest kann geheilt werden, wenn man den Körper mit einem lebendigen Huhn einreibt.
Aber die Idee, dass die Welt eine flache Scheibe sei, war schon vor Beginn des finsteren Mittelalters ein alter Hut und kaum mehr verbreitet. Der in der Antike lebende griechische Mathematiker Pythagoras behauptete um 500 v. Chr. als Erster, dass die Welt rund ist. Sein Landsmann Aristoteles bestätigte seine Erkenntnis 150 Jahre später. Ein weiteres Jahrhundert darauf vermaß der griechische Astronom Eratosthenes sogar bereits den Umfang der Erde – und lag mit seinen Berechnungen bis auf wenige Kilometer genau richtig.
Heute wissen wir zwar nicht, was der gemeine Bauer damals über die Form der Erde dachte, aber nach den Worten des Historikers Jeffrey Burton Russell glaubte „kein gebildeter Mensch in der Geschichte der westlichen Zivilisation ab dem 3. Jahrhundert v. Chr., dass die Erde flach sei“.
Das Bild zeigt eine Nachbildung des ältesten erhaltenen Globus, der 1492 von Martin Behaim konstruiert wurde. Im selben Jahr machte sich Kolumbus auf, eine neue Handelsroute nach Ostasien zu erschließen – nicht etwa, um zu beweisen, dass die Erde rund ist, wie es die Legende besagt. Stattdessen segelte er nach Amerika.
Selbst nach den Maßstäben der brutalen mittelalterlichen Kriegsführung war eine Burgbelagerung eine recht grausame Angelegenheit. Die Angreifer versuchten die Burgwände mit riesigen Katapulten (Triboke oder Ballista) zu durchbrechen, untergruben die Festungsanlage, um deren Fundament zu schwächen und belagerten die Burg über Monate oder sogar Jahre, um ihre Bewohner auszuhungern.
Die Verteidiger hingegen feuerten von den Schießscharten der Burg aus auf die Belagerer, hoben Gräben aus, um das Anlegen von Leitern zu behindern und gruben Tunnel, um die Wasserversorgung aufrechtzuerhalten. Es gab viele Verteidigungsmethoden, aber anders, als es in vielen Filmen dargestellt wird, kam kochendes Öl, das von den Zinnen herabgeschüttet wurde, kaum oder gar nicht zum Einsatz.
Auch, wenn Hollywood uns das Glauben machen möchte: Öl war viel zu wertvoll, um als Waffe benutzt zu werden. In der Regel gab es davon nur wenig auf einer Burg und abgesehen davon, wäre das Aufkochen und der Transport im Kampf zu aufwendig gewesen.
Warum sollte man sich die Mühe machen, in den ohnehin schon leeren Küchen nach Speiseöl zu suchen, wenn man den Feind auch mit kochendem Wasser verbrühen oder ihn – noch besser – von oben aus mit großen Steinen bewerfen konnte?
Zwei bis auf die Zähne bewaffnete Gladiatoren in einer Arena vor einer nach Blut gierenden Menge: Es ist schwer vorstellbar, dass solch ein Kampf nicht mit dem Tod endet. Die Realität sah anders aus, denn ein toter Gladiator war schlecht fürs Geschäft.
Um den Zuschauern eine gute Show bieten zu können und die Arena regelmäßig zu füllen, wurden die Gladiatoren zu geschickten Kämpfern ausgebildet und mit teuren Waffen ausgerüstet. Eine zu hohe Sterblichkeitsrate bedeutete Verluste für die Veranstalter und Investoren.
Man nimmt an, dass sich die Gladiatoren lediglich gegenseitig verletzten und ihr Schicksal am Ende des Kampfes den Zuschauern überlassen wurde. Ein erfolgreicher Gladiator war beim Publikum gefragt und beliebt. Er konnte zu einem regelrechten Celebrity avancieren, dessen Gesicht man in der Öffentlichkeit kannte.
Schätzungsweise endete nur einer von zehn Kämpfen mit dem Tod des Gegners. Ein Gladiator war ein Sklave und konnte sich seine Freiheit erkämpfen. Nach ausreichend vielen Siegen wurde ihm symbolisch ein Holzschwert überreicht und er verließ die Arena als freier Mann.
Der römische Schriftsteller Juvenal schrieb damals, dass es lediglich „Brot und Spiele“ bräuchte, um das Volk bei Laune zu halten und von einer Revolte gegen den Staat abzuhalten. Und würden die Hauptdarsteller dieser Spiele jedes Mal tot vom Schauplatz getragen werden, hätten es die Veranstalter schwer gehabt, für Unterhaltung zu sorgen.
Der indische Dichter Rabindranath Tagore nannte das Taj Mahal „eine Träne auf der Wange der Zeit“. Das Monument ist weltberühmt für seine Schönheit. Bekannt ist es jedoch nicht nur wegen der einzigartigen Architektur, sondern auch aufgrund seiner Geschichte.
Der Großmogul Shah Jahan ließ das Taj Mahal als Mausoleum für seine geliebte verstorbene Frau Mumtaz Mahal erbauen und somit wurde es zum ewigen Symbol für Liebe und Schönheit. Das Bauwerk sollte für alle Zeiten das Schönste bleiben. Der Herrscher war so besessen von dem Gedanken, dass er den 20.000 Arbeitern, die das Taj Mahal errichteten, die Hände abschneiden ließ, um andere Prachtbauten zu verhindern – so besagt es zumindest die Legende.
Aber wie das mit Legenden nun mal so ist: Es sind spektakuläre Geschichten mit wenig Wahrheitsgehalt.
Gräueltaten dieser Art tauchen aber leider häufiger in der Geschichtsschreibung auf. Im 13. Jahrhundert sollen sich etwa mongolische Eroberer einen Überblick über die Anzahl ihrer Opfer verschafft haben, indem sie ihnen das rechte Ohr abschnitten und diese dann zählten.
Auch der byzantinische Kaiser Basilius („der Bulgarentöter“) hier im Bild soll eine ähnliche Grausamkeit begangen haben. Im Jahr 1014 beraubte er bis zu 15.000 bulgarischen Gefangenen ihres Augenlichts und verschonte dabei jeden Hundertsten, sodass dieser die anderen nach Hause führen konnte.
Die Geschichte wird oft nur von den Siegern geschrieben, und vielleicht ist dies nirgendwo so wahr wie im Mexiko des 16. Jahrhunderts. Das Zusammentreffen des spanischen Eroberers Hernán Cortés auf das Volk der Azteken spielte sich tief im Dschungel und somit im Verborgenen ab. Dies machte es den Spaniern später so leicht, ihren selbst verherrlichenden Rückblick des Ereignisses zu verbreiten.
Die Berichte spiegeln ein tief verankertes Gefühl kultureller und religiöser Überlegenheit der Eindringlinge wider, das die Lebensweise der besiegten Azteken minderbewertete. Leider überlebten nur wenige Azteken die Eroberung, sodass ihre Seite der Geschichte nie die breite Öffentlichkeit erreichte.
Erzählungen verbreiteten den Mythos, dass die Azteken Hernán Cortés und sein Gefolge für Gottheiten hielten und in ihnen unter anderem die prophezeite Rückkehr ihres Schöpfergottes Quetzalcoatl (im Bild) sahen.
Diese Legende blühte primär im späten 16. Jahrhundert unter der Federführung einiger Franziskanermönche auf. In den meisten spanischen Quellen und selbst in Cortés’ eigenen Aufzeichnungen lassen sich derartige Behauptungen nicht finden – und das, obwohl der Eroberer nicht zu den bescheidensten Personen gehört haben soll.
Der Gedanke, dass in uns allen ein verkanntes Genie schlummert, ist tröstlich. Und die Behauptung, Einstein sei als Kind in Mathematik durchgefallen, hat Generationen von Schülern zum Weitermachen bewegt.
Ein Körnchen Wahrheit ist dabei. 1895 nahm Einstein im Alter von 16 Jahren an der Aufnahmeprüfung für das Elektrotechnik-Studium in Zürich teil und scheiterte. Allerdings hatte er sich – genial wie er war – Geometrie bereits im Alter von 12 Jahren selbst beigebracht. Seinen Doktortitel erhielt er 1905; im selben Jahr, als er die Arbeit über seine weltbekannte Relativitätstheorie veröffentlichte.
Der Mythos seines schulischen Fehltrittes kursierte bereits in den 1930er-Jahren in den Zeitungen. Einstein (im Bild links) hatte daher die Möglichkeit, dem persönlich etwas entgegenzusetzen: „Bevor ich 15 war, beherrschte ich die Differenzial- und Integralrechnung“, scherzte er.
Das Bildungssystem kitzelt vielleicht nicht immer das Äußerste aus vielversprechenden Schülern heraus, aber wer in der Schule nachweislich schwach in Mathe ist, dem wird wahrscheinlich auch weiterhin der Nobelpreis für Physik verwehrt bleiben.
Julius Cäsar ist eine Größe der Weltgeschichte. Shakespeare schrieb über diesen militärischen und politischen Führer, dass er „die enge Welt wie ein Colossus beschreitet.“ Und tatsächlich sind seine Feldzüge und Errungenschaften legendär. Er unterwarf Gallien (Frankreich) mit einer brutalen Rücksichtslosigkeit und erschuf mit der Einführung des 365-Tage-Kalenders eine neue, bis heute gültige Zeitrechnung.
Julius Cäsar wurde von der Elite auf den Stufen des Senats ermordet – ein eigentlich klassisches Ende für einen römischen Herrscher. Doch Kaiser war er nie.
Julius Cäsar war Zeuge der letzten Tage der Römischen Republik – einer Demokratie mit zwei gewählten Konsuln, deren Amtszeit auf ein Jahr begrenzt war. Cäsar wurde 59 v. Chr. Konsul und nutzte seine militärischen Siege und nicht zuletzt dubiose Hinterzimmergeschäfte, um seine Macht im Staat zu etablieren.
Im Jahr 44 v. Chr. erklärte man ihn zum „Diktator auf Lebenszeit“ und prompt wurde er von einer Gruppe von Senatoren ermordet. Diese hatten ihre ganz eigenen Machtbestrebungen und fürchteten, dass Julius Cäsar sich selbst zum Kaiser ernennen könnte.
Es war Augustus, Julius’ Großneffe und Adoptivsohn, der aus den folgenden Bürgerkriegen siegreich hervorging und erster Kaiser des geschwächten römischen Staates wurde.
Die Eiserne Jungfrau ist als eine der grausamsten Foltermethoden in die Erzählungen über das Mittelalter eingegangen. Eine Art aufrecht stehender Sarkophag mit nach innen gerichteten Spitzen lässt die Qualen erahnen, die seine Opfer in den fensterlosen mittelalterlichen Folterkammern erlitten.
Dieses Foltergerät entspringt allerdings nur einer Fantasie. In Wahrheit ist die Eiserne Jungfrau eine Erfindung des späten 18. Jahrhunderts, um das Mittelalter in einem maximal düsteren Licht erscheinen zu lassen. Die ersten Modelle wurden im 19. Jahrhundert zusammengeschustert, als historisches Artefakt ausgegeben und in Museen ausgestellt.
Es musste also kein armer Gefangener sein Leben aufgespießt in diesem Metallkasten beenden. Gleichwohl gab es zahlreiche Foltermethoden, die dem grausamen Erfindergeist der Eisernen Jungfrau in nichts nachstehen: Man denke nur an die Streckbank und Daumenschrauben.
Zu den wohl bekanntesten Irrtümern der Weltgeschichte zählt die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus. Dieser Mythos ist so tief im allgemeinen Gedächtnis verwurzelt, dass in den Vereinigten Staaten heute noch der Kolumbus-Tag gefeiert wird.
1492 segelte Kolumbus im Auftrag der spanischen Krone über den Ozean und landete auf den Bahamas. Den nordamerikanischen Kontinent hat er nie wirklich betreten.
In den Vinland-Sagen wird berichtet, dass der Wikinger Leif Erikson, fast 500 Jahre vor Kolumbus, im heutigen Kanada seine Anker setzte. Der archäologische Fund von L'Anse aux Meadows bestätigt diese Theorie. Die zerstörte Wikingersiedlung wurde in den 1960er-Jahren an der Küste von Neufundland entdeckt.
Es waren aber auch nicht die Wikinger, die Amerika entdeckten. Die ersten Menschen, die einen Fuß auf diesen Kontinent setzen, waren die Frühmenschen aus Asien, von denen alle amerikanischen Indigenen abstammen. Sie erreichten Nordamerika auf dem Landweg, als die Kontinente noch miteinander verbunden waren.
Kolumbus’ (im Bild) berühmte Reise war dennoch von historischer Bedeutung, denn sie war der Anfang einer raschen Kolonisierung der Neuen Welt. Er selbst glaubte im Übrigen bis zu seinem letzten Atemzug nicht Amerika, sondern eine alternative Route nach Ostasien entdeckt zu haben.
Über dieses Thema lässt sich streiten, aber eines steht fest: Kleopatra war nicht ägyptischer Abstammung. Im vierten Jahrhundert v. Chr. eroberte der griechische König von Makedonien, Alexander der Große, einen Großteil des Mittelmeerraums und des Nahen Ostens. Damit leitete er eine drei Jahrhunderte währende Periode der griechischsprachigen Herrschaft ein, die als hellenistisches Zeitalter bekannt ist.
Alexander hinterließ keine direkten Nachkommen und sein Reich zerfiel nach seinem Tod im Jahr 323 v. Chr. Ägypten wurde von einem seiner Generäle, Ptolemäus, übernommen. Dessen makedonisch-griechische Dynastie sollte bis zum Zeitalter Roms währen.
Zwölf Generationen später, im Jahr 51 v. Chr., bestieg Kleopatra VII. gemeinsam mit ihrem Bruder den Thron. Auch sie war makedonisch-griechischer Abstammung – dafür sorgten Jahrzehnte von Inzucht in der Dynastie der Ptolemäer.
Kleopatras Muttersprache war Griechisch, doch sie war die vielleicht einzige ptolemäische Herrscherin, die auch die ägyptische Sprache beherrschte. Und sie wurde in Ägypten geboren. Ob diese Tatsache sie nun zu einer Ägypterin macht, ist Ansichtssache. Jedenfalls war Kleopatra keine altägyptische Pharaonin im Sinne von Tutanchamun oder Ramses dem Großen.
Der römische Dichter Vergil beschrieb das römische Herrschaftsgebiet als „Reich ohne Ende“, aber in Wirklichkeit waren die Grenzen ziemlich genau festgelegt. Zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung im Jahr 117 n. Chr. verliefen die Grenzen des Reiches quer durch Mittel- und Osteuropa, durch die heutigen Länder Deutschland, Österreich, Rumänien und Ungarn. In Nordafrika kontrollierten die Römer die Mittelmeerküste, wagten sich aber nur selten in die Sahara. Im Osten endete ihre Macht in den Wüsten Arabiens und bei den Armeen der Parther im heutigen Iran.
Rom war sicherlich eine der einflussreichsten Zivilisationen der Weltgeschichte. Mit einer Ausdehnung von rund fünf Millionen Quadratkilometern landet das Römische Reich allerdings nicht mal in den Top 20 der größten Imperien aller Zeiten.
Falls Sie sich jetzt fragen, welche Reiche der Geschichte größer waren: zum Beispiel das Britische, das Mongolische und das Russische Reich. Diese umspannten eine Fläche von 26, 18 beziehungsweise 17 Prozent der gesamten Weltfläche.
Aber auch weit weniger berühmte Herrschaftsgebiete übertrafen Rom. Das Xiongnu-Reich, das Umayyaden-Kalifat, das antike Perserreich und das portugiesische Kolonialreich beanspruchten allesamt mehr Fläche. Rom war nicht einmal das größte Imperium seiner Zeit (das war das Reich der chinesischen Han-Dynastie) und wäre kleiner als sechs moderne Länder.
Im alten Ägypten war die Sklaverei gang und gäbe, besonders Kriegsgefangene wurden häufig versklavt. Die Zwangsarbeit verhalf Ägypten zu einer blühenden Wirtschaft.
Auch im biblischen Buch „Exodus“ wird dies thematisiert: Die Israeliten werden viele Jahre lang vom Pharao (der oft für Ramses den Großen gehalten wird) versklavt, bevor Moses sie in die Wüste führt. Die Pyramiden wurden mehr als tausend Jahre vor diesen angeblichen Ereignissen erbaut. Dennoch hat die Bibel das Bild von Sklaven in Lendenschurzkleidung geprägt, die unter den Augen von peitschenknallenden Vorarbeitern schwere Steinblöcke stemmen.
Viele Jahre lang ging man davon aus, dass die Pyramiden von Sklaven gebaut wurden. Doch inzwischen sind sich die Wissenschaftler einig, dass die Monumente von bezahlten Arbeitern errichtet wurden. In einer Siedlung, die in der Nähe der großen Cheops-Pyramide freigelegt wurde, wurden geräumige Schlafsäle, Gräber mit Grabbeigaben und Reste von erstklassigem Fleisch gefunden – Luxus, der für Sklaven undenkbar gewesen wäre. Der Pyramidenbau war offenbar ein angesehener Beruf.
Steinbrucharbeiter, Mörtelmischer, Steinmetze und andere arbeiteten in Gruppen von etwa 1.000 Personen zusammen, die oft nach dem Pharao benannt waren, dessen Pyramide sie bauten. Die „Freunde des Cheops“ und die „Trunkenbolde von Menkaures“ verewigten sich in jahrtausendealten Graffiti.
Tatsächlich gibt es nur eine Handvoll Beispiele dafür, dass Piraten ihre Beute verbuddelten. In keinem dieser Fälle war die Stelle mit einem „X“ gekennzeichnet. Der englische Freibeuter Sir Francis Drake vergrub 1573 tonnenweise Beute an der Küste Panamas, ließ aber bewaffnete Wachen vor Ort und kehrte schnell wieder zurück – eine Karte war nicht erforderlich.
Die Geschichte von Kapitän Kidd (Bild) ist etwas verwegener, denn er vergrub 1699 einen riesigen Schatz auf einer Insel in der Nähe von New York. Dieser wurde jedoch schnell von den Briten gefunden und als Beweismittel im Prozess gegen Kidd verwendet, der daraufhin gehängt wurde. Im Allgemeinen waren Piraten keine verantwortungsbewussten Sparer und der Gedanke, die Beute als Notgroschen zur Seite zu legen, kam dem durchschnittlichen Seeräuber wohl nicht in den Sinn.
Vergrabene Schätze gibt es in der Geschichte durchaus, aber da sie sich natürlich auf dem Festland befinden müssen, stammten sie in den allermeisten Fällen nicht von Piraten. Das Bild eines Piraten, wie wir es heute im Kopf haben, wurde maßgeblich durch Robert Louis Stevensons Roman „Die Schatzinsel“ von 1883 geprägt. Schatzkarten, Augenklappen, Holzbeine, Piratenslang und das Gehen über die Planke sind in erster Linie reine Fantasie.
Falls Sie trotzdem über einen verschollenen Piratenschatz stolpern sollten, könnte der Inhalt enttäuschend sein: Piraten plünderten nämlich alles, was sie verkaufen konnten – nicht nur goldene Dublonen, sondern auch verderbliche Waren wie Gewürze, Zucker, Rum, Mehl und Tabak.
Bei diesem Mythos ist es eigentlich ein Wunder, dass er sich so lange hält. Schließlich ist die Chinesische Mauer oben nur fünf Meter und an der Basis sechs Meter breit. Als wäre das nicht schon Beweis genug, hat auch Chinas erster Mann im Weltraum, Yang Liwei, 2003 in einem Interview bestätigt, dass die Mauer vom All aus nicht zu sehen sei.
Bleibt die Frage, woher dieser Mythos stammt – vor allem die noch absurderen Varianten, dass die Mauer das einzige Bauwerk sei, dass man aus dem All sehen kann, oder dass man sie vom Mond aus sieht.
Der Begriff „aus dem All sehen“ ist eigentlich etwas irreführend. Viele Dinge lassen sich aus einer niedrigen Umlaufbahn mit einer guten Kamera und bei klarer Sicht erkennen. Doch tatsächlich gibt es eine Handvoll Bauwerke, die auch mit bloßem Auge aus einer Höhe von rund 100 Kilometern sichtbar sind. Der riesige Drei-Schluchten-Staudamm in China (siehe Bild) ist von dort oben zum Beispiel gut zu erkennen, wie die NASA bestätigt. Auch die künstlichen Inseln Palm Jumeirah in Dubai heben sich deutlich vom dunklen Blau des Meeres ab.
Ebenso sichtbar sind die weitläufige Bingham-Canyon-Mine in Utah, eine der größten Tagebau-Minen der Welt, sowie die meisten Großstädte – besonders bei Nacht, wenn die Lichter der Metropolen die Dunkelheit durchbrechen ...
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