Europas beeindruckende Paläste und sehenswerte Architekturdenkmäler im öffentlichen Raum sind überall auf der Welt bekannt. Oft übersehen werden aber die vielen historischen Privathäuser. Die ältesten davon gehen bis ins 11. Jahrhundert zurück und erzählen spannende Geschichten aus der Vergangenheit.
Von italienischen Trulli-Häusern über uralte Höhlenwohnungen in Spanien bis hin zu historischen Fachwerkbauten in Deutschland – entdecken Sie hier die ältesten noch erhaltenen Wohnhäuser unseres Kontinents in Bildern.
Adaptiert von Barbara Geier
Die Stadt Visby auf der schwedischen Insel Gotland ist für ihre gut erhaltene Stadtmauer, den jahrhundertealten Dom und ihre mittelalterlichen Ruinen bekannt.
Im Herzen der Stadt befindet sich mit dem „Cramérska huset“ auch eines der ältesten bewohnten Häuser Schwedens.
Mit ihren rauen Außenwänden, den malerischen gelben Fensterrahmen und dem hohen, schrägen Dach ist die mittelalterliche Residenz aus dem 13. Jahrhundert ein typisches Beispiel für die lokale Architektur. Die Geschichte des Hauses ist eng mit dem berühmt-berüchtigten schwedischen Archäologen Ragnar Engeström verbunden, der das Anwesen 1971 kaufte.
Engeström entwickelte bereits in jungen Jahren eine Leidenschaft für Antiquitäten – und wohl für den Diebstahl derselben …
Im Rahmen seiner Arbeit für das Denkmalpflege-Amt von Gotland erhielt Engeström Zutritt zu zahlreichen Museen, Herrenhäusern und Kirchen, wo er sich mutmaßlich großzügig „bediente“. Ein Großteil der gestohlenen Möbel und Kunstwerke landete im Cramér-Haus, wo der Archäologe bis 1997 wohnte.
Zwei Jahre später wurde er für seine Diebstähle verurteilt, nachdem die Klau-Touren aufgedeckt worden waren.
Brügge ist eine der am besten erhaltenen historischen Städte Europas – und für viele auch eine der schönsten. Die Hauptstadt von Westflandern begeistert Besucher nicht nur mit ihren idyllischen Kanälen, gepflasterten Straßen und herrlichen Plätzen, sondern vor allem auch mit ihren historischen Gebäuden. Und in den Straßen Genthof und Kortewinkel haben zwei bemerkenswerte mittelalterliche Holzhäuser die Jahrhunderte überlebt.
Die beiden schlanken, imposanten Gebäude aus dem 15. Jahrhundert fallen durch ihre Holzfassaden auf. Die oberen Stockwerke der Häuser ragen weiter vor als die der Nachbargebäude, um Wasserschäden zu vermeiden und mehr Platz zu schaffen.
Das hier zu sehende Haus an der Adresse Genthof 7 zeichnet sich durch einen auffälligen spätgotischen Giebel aus.
Seit dem 13. Jahrhundert gab es in Brügge Vorschriften zur Verhinderung von Bränden. Offiziell verboten wurden die leicht entflammbaren Holzhäuser allerdings erst im 17. Jahrhundert,
Seitdem sind Hunderte dieser einzigartigen Holzbauten für immer verschwunden, da sie verfielen oder abgerissen wurden. Glücklicherweise haben diese beiden überlebt und stehen jetzt unter Denkmalschutz.
Die Stadt Guadix ist eine der ältesten Siedlungen Spaniens und geht bis ins Römische Reich zurück. Heute ist der Ort in der Provinz Granada vor allem für seine uralten Höhlenwohnungen bekannt, die ein eigenes Viertel bilden (Barrio de Cuevas). Rund 2.000 dieser Wohnhöhen gibt es, in denen noch heute einige Tausend Menschen leben.
Einige der ersten und etwa 1.000 Jahre alten Höhlen sollen auf die Mauren zurückgehen, die Andalusien vom 8. bis zum 15. Jahrhundert beherrschten. Jüngere Exemplare wurden im 15. und 16. Jahrhundert errichtet. Neben der Getreidelagerung wurden dort Tiere gehalten. Menschen suchten dort aber auch Zuflucht vor Verfolgung und stellten dabei fest, dass es sich in den Höhlenstrukturen gut leben lässt.
Der Innenraum der in den weichen Felsen gegrabenen Höhlen ist vor der starken Sonneneinstrahlung geschützt. Unabhängig vom Wetter liegt die Wohntemperatur immer zwischen 18 und 20 Grad.
Wer Interesse am Wohnhöhlen-Leben hat, findet auf Airbnb einige Optionen, die als Unterkünfte angeboten werden. Das hier zu sehende Beispiel bietet auf 80 Quadratmetern Platz für bis zu vier Personen. Der gemütliche und kompakte Innenraum ist rustikal-ländlich ausgestattet. Neben Küche und Sitzecke gibt es einen Essbereich, zwei Schlafzimmer und ein Familienbad.
Und wem das Wort „Höhle“ zu unterirdisch klingt, wird positiv überrascht: Von der Terrasse aus hat man einen Panoramablick auf die Stadt, einschließlich der Alcazaba-Festung aus dem 10. Jahrhundert und die in einem Stilmix aus Gotik, Renaissance und Barock gebaute Kathedrale.
Bei diesem spätgotischen Fachwerkhaus aus dem Jahr 1406 ist im wahrsten Sinne des Wortes etwas schiefgegangen. Das ehemalige Fischerhaus mit einer Neigung von neun bis zehn Grad hält sich dennoch schon seit Jahrhunderten an seinem Standort am Fluss Blau und ist heute das meistfotografierte Bauwerk der Stadt Ulm.
Zur Schieflage kam es, nachdem das Gebäude 1443 im spätgotischen Stil erweitert worden war. Während die Nordwand auf festem Schotter stand, befand sich die Südwand auf weniger festem Boden. Als der Untergrund auf der Flussseite langsam nachgab, begann das Haus zu sinken und die Dinge gerieten aus dem Lot.
Später wurden drei tragende Säulen eingezogen und die hölzerne Südwand Mitte des 17. Jahrhunderts durch Stein ersetzt. Dies verhinderte allerdings nicht, dass sich das Haus weiter verschob. Dazu beigetragen haben Feuchtigkeitsschäden im Dach sowie das Gewicht von Deckenauffüllungen im ersten Obergeschoss, mit denen die Schieflage eigentlich ausgeglichen werden sollte.
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Das Haus wurde 1994/1995 saniert und wird seitdem als Hotel geführt. Gäste können dort beruhigt schlafen, denn alles wurde im Rahmen des Umbaus verstärkt und stabilisiert. Was bleibt, ist die charmante historische Schräge, die dem Haus einen marketingtechnisch sicher nicht verkehrten Eintrag im „Guinness Buch der Rekorde“ eingebracht hat – als „Schiefstes Hotel der Welt“.
Der dänische Kirkjubøargarður – oder „Königsbauernhof“ – aus dem 11. Jahrhundert gilt als eines der ältesten noch bewohnten Holzhäuser der Welt. Ab etwa 1100 war es Sitz des katholischen Bistums Faröer. Das Blockhaus liegt auf Streymoy, der größten und bevölkerungsreichsten der Färöer Inseln, und soll mit Treibholz aus Norwegen erbaut worden sein.
Seit 1550 wird das mit Torf bedeckte Holzhaus von der Patursson-Familie bewohnt, die heute in 17. Generation dort lebt und den Hof bewirtschaftet. Die Familie erhielt im 16. Jahrhundert den königlichen Pachtbrief für den Hof, der heute der Landesregierung der Faröer Inseln gehört.
Der Königsbauernhof ist aber nicht nur das Wohnhaus der Paturssons, sondern – zumindest in Teilen – auch als Museum für die Öffentlichkeit zugänglich. Besichtigt werden kann der Roykstovan. Diese Rauchstube (Bild) ist einer der ältesten Gebäudeteile.
Saltford Manor House gilt als das älteste durchgehend bewohnte Privathaus in England. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude geht in die Normannen-Zeit zurück und wurde laut Experten um 1148/50 erbaut.
Das Anwesen wurde auf dem Land des Earls of Gloucester vermutlich von einem Pächter errichtet. Im Laufe der Jahrhunderte ging das Haus durch zahlreiche Hände und verfiel Anfang des 20. Jahrhunderts, nachdem es Ende des 19. Jahrhunderts von einem örtlichen Bauern gekauft worden war.
1997 fand sich ein Ehepaar, das Saltford Manor House für nur 290.000 Pfund (heute etwa 670.000 Euro) übernahm und renovierte – mit Gewinn: 2010 konnte das Herrenhaus für 1,3 Millionen Pfund veräußert werden, was nach heutigem Geldwert umgerechnet über 2,4 Millionen Euro entspricht.
Im Inneren des englischen Landsitzes zeigt sich seine lange Geschichte: Neben den ursprünglichen normannischen Elementen findet man Wandmalereien aus dem 13. Jahrhundert, die als die ältesten erhaltenen mittelalterlichen Fresken Englands gelten.
Außerdem gibt es einen Kamin aus der Tudorzeit und eine Küche aus dem 17. Jahrhundert sowie ein Fenster mit Spuren einer mittelalterlichen dekorativen Malerei, die vermutlich aus dem 14. Jahrhundert stammt.
Das „Alte Haus“ in der rheinland-pfälzischen Stadt Bacharach ist eines der bekanntesten mittelalterlichen Fachwerkhäuser am Rhein. Seiner Inschrift zufolge gehen die Anfänge des Gebäudes bis 1368 zurück. Bis ins Jahr 1568 wurde es wohl mehrere Male umgebaut.
Während die meisten Gebäude dieser Art in Bacharach in einer Reihe von Bränden Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zerstört wurden, überlebte das Alte Haus – und mit ihm seine charaktervollen Details wie das hohe Satteldach, rote Holzverkleidungen, vier Giebel, Ecktürme und Rokokotüren. Heute wohnt dort eine Künstlerfamilie.
In den letzten Jahrzehnten wurde das Haus mehrfach renoviert. Dabei wurden auch die Wandmalereien instandgesetzt, darunter der „Loreleyzyklus“, der vermutlich vom bekannten Kirchenmaler Nikolaus Dauber aus Marburg stammt.
Auf Madrids Plaza de la Villa versammeln sich einige der am besten erhaltenen historischen Bauten der Stadt, einschließlich des alten Rathauses, Casa de la Villa de Madrid. Auch das älteste erhaltene Privatanwesen Madrids steht auf diesem Platz und ist als Casa y Torre de los Lujanes bekannt.
Das Haus und der Turm aus dem 15. Jahrhundert dienten 200 Jahre lang verschiedenen Generationen der Familie Luján als Wohnsitz. Der Turm, der an das Wohnhaus grenzt, war ursprünglich Teil der mittelalterlichen Verteidigungsanlage der Stadt. Das Gebäude wurde im Mudéjar-Stil entworfen, einem arabisch inspirierten Baustil, der in Spanien um das 12. Jahrhundert populär wurde.
Das Anwesen war einst eines der höchsten Gebäude Madrids und ist seit 1866 der Sitz der Real Academia de Ciencias Morales y Política, einer geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Akademie der Wissenschaften. Das Gebäude ist nicht für die Öffentlichkeit zugänglich und kann nur von außen bewundert werden.
Das Haus Bethlehem in der Gemeinde Schwyz in der Zentralschweiz gilt als das älteste Holzhaus in ganz Europa.
Es wurde 1287 erbaut – vier Jahre bevor sich die drei Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden zusammenschlossen und den Grundstein für die heutige Eidgenossenschaft legten.
Das uralte Gebäude ist noch in einem bemerkenswert guten Zustand und Teil der Ital Reding-Hofstatt. Zu diesem nach seinem Erbauer benannten Gut gehören neben dem Haus Bethlehem ein Haupthaus (von 1609), in dem sich ein Museum befindet, und ein ehemaliges Wirtschaftsgebäude, das heute die Kantonsbibliothek beherbergt.
Das historische Anwesen mit seinen charakteristischen dunklen Holzpaneelen, weißem Putz, kleinen Fenstern und schrägem Dach wurde Mitte des 16. Jahrhunderts renoviert. Dabei wurde die Holzkonstruktion erhöht und ein Kellersaal mit Wandmalereien integriert. Im 18. Jahrhundert wurde das Haus in zwei Wohnungen umgewandelt.
Der um 1180 im 19. Wiener Bezirk erbaute Berghof diente dem Stift Kloster Neuburg als Wohn- und Arbeitsort bedeutender katholischer Persönlichkeiten.
Ende des 17. Jahrhunderts wurde das Anwesen im barocken Stil umgestaltet. 1711 ließ Propst Ernest Perger den Prälatensaal mit hochwertigen Stuckarbeiten und einer kunstvollen Deckenmalerei ausschmücken.
Nach der Zerstörung durch die Franzosen wurde das Gebäude 1811 von der Familie Woller wiederaufgebaut. Die Holzveranda wurde 1872 zur Pflege der Wiener Kaffeehauskultur hinzugefügt. Um 1900 wurde das Gebäude aber aufgegeben und verfiel, bis es 1988 einen neuen Besitzer fand, der es umfassend renovierte.
Der Berghof beherbergt heute das Restaurant Pfarrwirt, in dem in historischem Ambiente typisch Wienerisch diniert werden kann.
Im Südosten Italiens ist die Region Apulien Heimat einer besonderen Art kleiner Rundhäuser mit kegelförmigen Dächern. Viele davon sind heute verfallen, aber in dem Ort Alberobello hat ein einzigartiges Ensemble dieser sogenannten Trulli überlebt.
Die weiß getünchten Häuser werden aus Trockenmauerwerk und ohne Mörtel errichtet. Ihre Steindächer enden nach oben hin in einem Kraggewölbe oder „falschen Gewölbe“. Diese Bautechnik gibt es sei der Steinzeit und ist bis heute in verschiedenen Regionen Europas verbreitet.
Man geht davon aus, dass die ersten Trulli Apuliens Mitte des 14. Jahrhunderts gebaut wurden. In Alberobello stehen rund 1.500 von ihnen in den gepflasterten Gassen der Stadtteile Rione Monti und Rione Aia Piccola. Seit 1996 gehören sie zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Trulli wurden in der Regel als Wohnhäuser von kleinen Landbesitzern oder Landarbeitern errichtet. Andere wurden als Feldunterstände oder Lagerräume genutzt. In Alberobello sind viele der kleinen Häuser noch heute bewohnt oder dienen als Geschäfte, Restaurants und sogar Boutique-Hotels.
Die originellen Häuser mit ihren charakteristischen kegelförmigen Dächern kamen mit den Messapern nach Italien. Diese Bevölkerungsgruppe ließ sich während der Eisenzeit in der Region nieder.
Obwohl nicht gesichert ist, wann die ersten Trulli gebaut wurden, sind sich die meisten Historiker einig, dass die ältesten etwa mehrere tausend Jahre alt sind.
Schiefe Häuser gibt es nicht nur in Deutschland. In dem malerischen englischen Dorf Lavenham in Suffolk finden sich gleich mehrere bunt gestrichene mittelalterliche Fachwerkhäuser, die aus dem Lot geraten sind.
Im 14. und 15. Jahrhundert wurde Lavenham dank des Wollhandels zu einem der reichsten Orte des Landes. Wohlhabende Kaufleute bauten hier Häuser aus grünem Holz, das noch nicht vollständig getrocknet war.
Mit dem Trocknen begannen sich die Häuser zu verziehen und zu verschieben. Da die Geschäfte mit Wolle zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr gut liefen, konnten sich die Kaufleute die notwendigen Reparaturarbeiten nicht leisten – und dem Dorf bleibt bis heute eine charmante Sammlung schiefer Fachwerkbauten. Das weitaus berühmteste davon ist ein orangefarbenes Exemplar, das als „Crooked House“ (schiefes Haus) bekannt ist.
Das viel fotografierte Gebäude wurde 1395 als Teil eines großen Hallenhauses für einen wohlhabenden Wollhändler erbaut. In den letzten 600 Jahre hat es von Königin Elisabeth I. bis John Lennon eine Reihe berühmter Namen beherbergt.
Seit 2020 gehört es einem Paar, das im Crooked House immersive, historische Erlebnisse gestaltet wie Besichtigungstouren oder Dinner in großer Abendgarderobe.
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