Seit Jahrtausenden errichten die Menschen heilige Stätten, doch nicht immer überdauern diese sakralen Bauten die Zeit unversehrt. In seinem Buch „Abandoned Sacred Places“ erkundet der Fotograf Lawrence Joffe, was zum Ende der faszinierenden Orte führte. Hier haben wir einige der schönsten geistlichen Ruinen zusammengestellt, die sich der Natur zur Wehr setzen ...
In der City Methodist Church kam in den 1950er-Jahren ganz Gary zusammen. Die Gemeinde bestand aus mehr als 3.000 Mitgliedern und in dem benachbarten neunstöckigen Komplex gab es ein Theater, ein Fitnessstudio und eine Universität. Doch die Kirche wurde 1974 nach 48 Jahren geschlossen und ist heute eine Ruine. Der Grund für das Aus? In einem Wort: De-Industrialisierung. Gary liegt 64 Kilometer von Chicago entfernt und lebte von der Stahlindustrie. Aber mit zunehmenden wirtschaftlichen Problemen wurden immer mehr Arbeitsplätze abgebaut und auch die Kirche verlor ihre Gemeindemitglieder.
In der Nähe der Kharga-Oase in der Sahara befindet sich Al-Bagawat, einer der frühesten christlichen Friedhöfe der Welt. Hunderte von Gräbern hier stammen aus dem 4. bis 7. Jahrhundert n. Chr. Fresken von Adam und Eva, der Arche Noah und Sankt Johannes schmücken Bagawats Exoduskirche und die Friedenskapelle. Koptische Christen machen etwa zehn Prozent der heutigen Bevölkerung Ägyptens aus. Die jüngsten Gräber stammen aus dem 11. Jahrundert.
Petra war vom 3. Jahrhundert v. Chr. an die Hauptstadt des Königreiches Nabataea, bis es 106 n. Chr. von den Römern eingenommen wurde. Als wichtiger Handelsknoten zwischen Mittelmeer und Arabien florierte die Stadt. Die Nabatäer praktizierten eine frühe arabische Form des Polytheismus (der Glaube an mehrere Götter), wie noch heute anhand der vielen kleinen Tempel und Gräber in Petra zu erkennen ist.
Die Zerstörung von zwei riesigen Buddha-Statuen in Bamiyan durch die Taliban im März 2001 zeigte, wie barbarisch die Islamisten vorgehen können. Einige Monate später wurde dies von den Anschlägen vom 11. September noch übertroffen. Seit dem 13. Jahrhundert verlor der Buddhismus im zunehmend muslimischen Afghanistan immer mehr an Bedeutung. Doch warum einen so religiösen Ort auslöschen? Die Taliban sahen in der vorislamischen Geschichte eine Bedrohung. Schlimmer noch, die Felsstatuen wirkten für sie wie Götzenbilder, die im Islam verboten sind. Allerdings hatten die muslimischen Herrscher vor ihnen die heilige Stätte toleriert und sogar geschützt.
Der afghanische Buddhismus fand während des Kushan-Reiches (200 v. Chr. bis 200 n. Chr.) seine Blütezeit. Im Tal von Bamiyan an der Seidenstraße errichteten Gläubige zwischen 200 und 400 n. Chr. oder 500 und 600 n. Chr. (die Schätzungen variieren) die höchsten stehenden Buddha-Statuen der Welt. In einer alten chinesischen Überlieferung ist von Statuen die Rede, die mit Stuck, Metall, Edelsteinen und Farbe verziert waren. Doch wie diese gebaut wurden, bleibt ein Rätsel. Um Bamiyan wurden zudem fast 1.000 buddhistische Höhlen in eine Felswand gemeißelt.
Der Kandariya-Mahadeva-Tempel wirkt trotz seiner relativ kleinen Größe ziemlich majestätisch. Er setzt sich aus fünf einzelnen Gebäuden zusammen, die auf einer sechs Meter hohen Plattform dicht beisammen angeordnet sind und sich zu einem 31 Meter hohen Turm erheben. Das Ergebnis ähnelt einem Gebirgsstock und bezieht sich auf einen Berg im Himalaya, auf dem nach dem Glauben der Hindus die Götter leben. Der Tempel, einer von 20 in der Region Khajuraho, wurde im 10. Jahrhundert erbaut und dem Gott Shiva geweiht.
Borobudur wurde zur Zeit des Mataram-Königreiches um 824 n. Chr. errichtet. Somit wurde der Tempel nicht einmal 200 Jahre lang genutzt, bevor er der Natur überlassen wurde. Architektonisch ist der Komplex eine riesige Pyramide: Die zehn konzentrisch angeordneten Terrassen stehen für die Stufen, die es zu überschreiten gilt, um die Vollkommenheit Buddhas zu erlangen.
Ein Vulkanausbruch zerstörte 1943 den mexikanischen Ort San Juan Parangaricutiro, doch dieser Kirchturm erhebt sich stolz aus den schwarzen Lavafeldern. In den darauffolgenden acht Jahren sammelte sich immer mehr Lava an und erschuf den jüngsten Vulkan der Welt, den Paricutín, der heute 2.800 Meter hoch ist.
Die Kirche aber hielt den Eruptionen stand, was vermutlich an der fachmännischen Plattenbauweise liegt, die die Augustinermönche Mitte des 17. Jahrhunderts für den Bau verwendeten. Früher strömten zahlreiche Pilger zu dem Gotteshaus, um das Kruzifix von El Señor de Los Milagros (Herr der Wunder) zu bestaunen, das angeblich Wunder vollbringen konnte. Nach 1943 entstand eine neue Siedlung neben den verschütteten Gebäuden. In deren Kirche prangt heute das Holzbildnis eines Heiligen, das Gläubige auf der Flucht vor Asche und Lava aus der Kirche retteten.
Die Maya verehrten die Cenoten von Ik-Kil, natürliche Wasserquellen in den Kalksteinhöhlen der Halbinsel Yucatán. Doch die Idylle täuscht. In den Tiefen der Pools wurden nicht nur Jade- und Goldobjekte gefunden, sondern auch Skelette – Menschenopfer für den Regengott Chaac. Ganz in der Nähe liegt die Touristenattraktion Chichen Itzá, die im 6. Jahrhundert n. Chr. von den Maya gegründet und im 10. Jahrhundert n. Chr. von den Tolteken erobert wurde. In Chichen Itzá gibt es weitere Hinweise auf grausame Praktiken: einen Jaguartempel, Klapperschlangenskulpturen und ein Tlachtli-Spielfeld – ein Ballspiel, bei dem der Verlierer buchstäblich den Kopf verlor.
Jedes Jahr strömen zahlreiche Menschen nach Stonehenge, um die Winter- und Sommersonnenwende zu feiern. Aber was bedeutete die Steinformation den Menschen in der Jungsteinzeit und der Bronzezeit, die diese bauten und verehrten? Der genaue Grund ist bis heute ein Rätsel.
Bekannt ist, dass Stonehenge zwischen 3000 und 1520 v. Chr. in sechs Phasen errichtet wurde. Der Steinkreis setzt sich aus künstlich geformten Sarsensteinen und kleineren Blausteinen zusammen, die bis zu 240 Kilometer weit aus Südwales an den heutigen Standort in Südengland befördert wurden. Wissenschaftler vermuten, dass Stonehenge mehreren Zwecken diente. Zum einen soll es als eine Art „Computer“ fungiert haben, um eine Sonnenfinsternis vorauszusagen. Zum anderen war es ein Denkmal für verstorbene Vorfahren, ein Ort der Heilung und ein Treffpunkt an der Schnittstelle anderer prähistorischer Stätten.
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Die Ruine der katholischen Kirche in Trai Tim wirkt, als sei ein Stück der Normandie nach Vietnam versetzt worden. Das Gotteshaus wurde 1927 erbaut, als Vietnam Teil des französischen Indochina war. Seit 1996 ist das Gebäude sich selbst überlassen und verfällt immer mehr. Wie viele Kirchen und Dörfer in der Provinz Nam Dinh ist es der Küstenerosion zum Opfer gefallen. Ein Teil des Glockenturms ist noch erhalten, der einst auch als Leuchtturm genutzt wurde.
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Als einziges Gebäude des Ortes Dooley hat die Rocky Valley Church die Zeit überdauert. Das Gotteshaus wurde 1915 erbaut und 30 Jahre später verlassen. Nach wiederholten Ernteausfällen, zahlreichen Bränden, einem Schädlingsbefall und kalten Wintern, die die Eisenbahnschienen einfrieren ließen, brach die Wirtschaft in dem Ort zusammen. Aus Dooley wurde eine Geisterstadt – ein trauriger Gegensatz zum American Dream.
Diese drei schwarze Pyramiden, die aus der Wüste emporragen, verkörpern die einstige Macht Nubiens. Das Reich von Kusch, wie Nubien auch in der Bibel genannt wurde, herrschte zeitweise sogar über den großen Feind Ägypten. Die Pyramiden zählen zu insgesamt 177 sakralen Bauten, die in Meroë gefunden wurden. Sie wurden größtenteils vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. errichtet und waren wesentlich spitzer als die ägyptischen Exemplare. Viele wurden von europäischen Schatzsuchern zerstört. In den meisten finden sich Tempel, mit denen Verstorbene geehrt wurden.
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Die Bilder stammen aus dem Buch „Abandoned Sacred Places“ (Amber Books, erhältlich über Amazon) und wurden mit Genehmigung des Autors Lawrence Joffe veröffentlicht.
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